Lob, Kritik, Offenheit


Wer eigene Lieder öffentlich vorträgt ...

... ist offenbar überzeugt, dass diese Lieder öffentliche Aufmerksamkeit verdienen. Das zeigt Selbstbewusstsein - gelegentlich aber auch Eitelkeit, wenn nicht Selbstüberschätzung.
Wie gehen wir in der Songwriter-Werkstatt damit um?

Natürlich soll der Geist unserer Werkstatt geprägt sein von kritischem Wohlwollen. Hier sollen Dinge entstehen, und sie sollen gut werden. Das darf uns aber nicht davon abhalten, Dinge klar zu benennen. Ohne Offenheit und die Bereitschaft, offene Bemerkungen zu ertragen, geht es nicht.

Allerdings herrscht in der deutschen Songwriter-Szene das Prinzip “Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus”. Wer von den Kollegen weist denn Reinhard Mey gelegentlich auf die Betulichkeit seiner Texte hin, Konstantin Wecker auf seine Schwülstigkeit, Herbert Grönemeyer auf die Unbeholfenheit in vielen seiner Texte? Kaum einer. Und so glauben denn nicht nur die großen Namen, sie wären fähige Texter, sondern auch die weniger großen. Gewiss, gerade ein Singer-Songwriter braucht Zuversicht und Selbstvertrauen  wie die Luft zum Atmen. Aber ohne die Bereitschaft zur Selbstkritik wird daraus leicht Selbstlob und Angeberei.

Wobei wir natürlich eines nicht außer acht lassen dürfen: Gerade die wirklich großen Songs setzen sich oft großzügig über sprachliche Regeln hinweg - falls nicht der Text ohnehin nur dienender Träger der Melodie ist. Ein Beispiel dafür ist Friedrich Hollaenders von der Dietrich gesungenes “Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt”. Da heißt es: “Männer umschwirr’n mich wie Motten um das Licht”. Ist das nun ein Grammatikfehler - oder ist es übergeordnete Song-Logik?

Ein Beispiel für den Mangel an Selbstkritik und realistischer Selbsteinschätzung bietet eine der populärsten deutschen Liedermacherinnen des 20. Jahrunderts: Bettina Wegner.